amaLuma - Hintergrundinfos zum Projekt

Singen schafft Gemeinschaft
Matthias Gerber, Herausgeber (Eingangstext zu amaLuma)

Vor über acht Jahren haben Karin Jana Beck und ich die Doppel-CD SiyaBonga mit über sechzig Kraft- und Volksliedern herausgegeben. Es ging uns damals in erster Linie darum, singfreudigen Menschen schöne, nicht allzu bekannte Lieder aus verschiedenen Kulturen zugänglich zu machen. Vor fünf Jahren folgte die Doppel-CD Saravá in Zusammenarbeit mit Barbara Mordasini Voser und Ariane Rufino dos Santos als weiteren Singanleiterinnen. Wir waren überrascht vom enorm positiven Echo auf SiyaBonga und Saravá mit den einfachen Aufnahmen, die weit weg von jeglicher Perfektion sind. Es freute uns, dass die Singfreude, die wir mit den Ad-hoc-Chören bei den Aufnahmen hatten, auch zu den Hörenden übersprang. Wir staunten über die unzähligen Feedbacks und unerwarteten Wirkungen der Lieder: Sie ermutigten Viele, wieder mehr zu singen, ob allein oder in Gruppen, in der Familie, in WGs, in der Schule, beim Kochen, in freier Natur, an Festen und Ritualen, in Seminaren und auf Tagungen.
Und nun ist es geboren, das neue Werk mit 67(!) weiteren Liedern aus den verschiedensten ethnischen und spirituellen Kulturen unserer Welt: amaLuma – Freund/Freundin der Erde in Romanes, der wohlklingenden Sprache der Roma-Zigeuner. Eine vielfarbige und reiche Liederernte ist eingebracht. Die Trilogie hat ihren Abschluss gefunden!
Wieder haben wir viele der Lieder mit drei verschiedenen Ad-hoc-Chören im Lauf des letzten Jahres eingeübt und im Studio zusammen aufgenommen, andere wurden in kleineren Formationen oder von Karin Jana allein gesungen. Während SiyaBonga vom frischen Anfängergeist und der Unbeschwertheit des Frühlings und Saravá von der uns wichtigen Vernetzung von Singanleitenden lebten, war für uns bei amaLuma immer wieder spürbar, wie das gemeinsame beseelte Singen in Chören, Sing- und Ritualgruppen über die Jahre hinweg auf wohltuende Weise Verbundenheit, Freundschaften und Gemeinschaft geschaffen hat. Der Zusammenhalt der verschiedenen Ad-hoc-Chöre und das unterstützende Aufeinander-Bezogensein auch in den herausfordernden Liederprobe- und Studioaufnahme-Situationen war für uns in dieser Tiefe neu.
Die folgenden drei Texte drehen sich um diesen Bezug von beseeltem Singen in Gruppen zum konkreten Alltag, zur Gemeinschaft und zum Aufgehobensein in kleineren und grösseren Zusammenhängen. Mögen sie Inspirationen schenken, die Lieder nicht „einfach so“ zu singen, sondern immer wieder verbunden mit ihrer „Medizin“ sowie mit persönlichen und gesellschaftlichen Anliegen. So kann das Singen im besten Sinn zum Gebet werden; Augustinus soll gesagt haben: „Wer singt, betet zweimal.“
Mit amaLuma-Verkäufen (zwei Franken pro Exemplar) unterstützen wir gerne ein drittes Mal die engagierte und unermüdliche Arbeit der Musikethnologin Jana Belišová aus Bratislava. Sie setzt sich von ganzem Herzen für die Romamusik in der Slowakei ein. Seit dem Erscheinen von Saravá hat sie zwei neue Liederbücher (mit Begleit-CDs) zusammengestellt, eines mit Aufnahmen von Romakindern und das andere mit in den letzten Jahren entstandenen neueren Romaliedern. Nähere Informationen zu diesem Projekt finden sich hinten in diesem Booklet.
Beim Recherchieren der amaLuma-Lieder bin ich auch intensiv den dunklen Seiten unseres Menschseins begegnet - Macht, Gier, Ausbeutung, Überheblichkeit und fehlender Liebe:
• das Genozid der Nazis an den Roma in den Gaskammern, überhaupt deren leidvolle tausendjährige Geschichte von Sklaverei, Ausgrenzung, Ablehnung und Unterdrückung
• die schwarzen Sklaven in Latein- und Nordamerika
• das (Beinahe-)Auslöschen indigener Kulturen, wie der Indianer Nordamerikas oder der Aborigenes in Australien
• das Abwerten ursprünglicher Kulturen und ihrer Spiritualität durch westliche, christliche Kolonialisation und Mission, die beispielsweise dazu geführt hat, dass die Saamen in Lappland fast ihre archaische Gesangskultur des Joik verloren hätten,
• das Sterben jenes Sufisheiks, dessen spirituelle Sicht auf die Welt der Khalif nicht verstand und als gefährlich einstufte. Er liess den Sufimeister in ein Verlies stecken, wo er verhungerte.
Mich dem zu stellen war und ist schmerzhaft. amaLuma, Freund/Freundin der Erde, ermutigt mich, „trotz alledem“ die Vision unseres Menschseins hochzuhalten, gemeinsam Sorge zu tragen zu unserer Mutter Erde und all ihren Geschöpfen, die Vielfalt der Kulturen zu achten und Menschlichkeit und Nächstenliebe höher zu schätzen als Besitz und Macht. amaLuma ist auch die Vision einer Welt, wo es für alle genug und für kaum jemanden mehr zu viel hat.
Wir sind gespannt und freuen uns auf die Feedbacks zu amaLuma.
Winterthur, 9. Mai 2012